Die nächste Stufe von BIM: Der digitale Zwilling
Mit sogenannten Digital Twins oder digitalen Zwillingen hat das Building Information Modelling (BIM) nun seine nächste Evolutionsstufe erreicht. Ein innovatives Projekt namens Twin It hat das Ziel, wertvolle Gebäude in der EU als 3D-Modell zu speichern. Mehr über die Technologie und das Projekt hier!
Was ist ein digitaler Zwilling?
Digitale Zwillinge sind eine Weiterentwicklung des Building Information Modeling oder BIM: Bei diesem digitalen Prozess werden Gebäudemodelle mit geometrischen und anderen Daten erstellt, um die Eigenschaften und Zustände von Bauteilen und Gebäudekomponenten in einem 3D-Modell zu erfassen. Diese digitalen Modelle oder Punktwolken ermöglichen es Architekten, Ingenieuren, Bauunternehmern und Facility-Managern, alle wichtigen Informationen über ein Gebäude zu sammeln, zu verwalten und auszutauschen. So können Projekte effektiver geplant, gebaut und betrieben werden, was wiederum die Kosten reduziert.
Bisher kommt das BIM-Modell vor allem beim Bau zum Einsatz. Aber auch im Betrieb eines Gebäudes kann das digitale Gebäudemodell sehr hilfreich sein. Durch die digitale Darstellung eines Objektes in 3D entsteht dank Reality Capture eine möglichst realitätsnahe Objektvisualisierung. Durch zusätzliche Ebenen wie Zeit und Kosten lässt sich sogar ein 5D-Modell erstellen.
Und mit dem Digital Building Twin oder Gebäudezwilling ist es möglich, noch einen Schritt weiterzugehen: Hier handelt es sich um die digitale Darstellung eines realen Gebäudes oder einer Anlage auf Basis von Building Information Modeling-Daten. BIM-Informationen werden mit Echtzeitdaten verbunden, um zum Beispiel den Energieverbrauch vorherzusagen oder den Gebäudebetrieb anderweitig zu optimieren. Der digitale Zwilling kann Daten aus verschiedenen Quellen wie Sensoren oder historischen Archiven integrieren. Er bietet somit eine erweiterte Anwendung von BIM, um ein Gebäude über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu überwachen, zu steuern und zu optimieren.
Abb.: Chengdu Municipal Engineering Design and Research Institute; Chengdu Institute of Survey & Investigation
Abb.: WPS Group Inc.
Welche Vorteile bietet ein digitaler Zwilling?
Als nächste Evolutionsstufe von BIM sind digitale Zwillinge eine wichtige Methode für die Planung. Sie bieten den großen Vorteil, ein Abbild von der Realität zu erzeugen, das sich bei Bedarf stetig weiterentwickelt. Diese dynamische Komponente, die bei BIM fehlt, erlaubt es Architekten und Planern, fundierte Planungsentscheidungen zu treffen. Dabei stellt der digitale Zwilling ebenfalls ein 3D-Modell dar, das sich über spezielle Softwares nutzen lässt.
Zudem bieten digitale Zwillinge dank Laserscanning eine akkurate digitale Darstellung von physischen Gebäuden, Anlagen oder Systemen im Kontext ihrer Umgebung an. Dazu gehören auch Engineering-Daten, die es ermöglichen, die Gebäudeleistung detailliert zu modellieren und zu verstehen. Sobald sich die realen Ressourcen verändern, verändert sich auch der digitale Zwilling. Dafür arbeitet er mit mehreren Quellen auf einmal, die Informationen zum Status und zum Betriebszustand geben.
Ein weiterer Vorteil an digitalen Zwillingen besteht darin, dass Architekten und Ingenieure das Gebäude auf verschiedenen Geräten visualisieren und überprüfen können. Dies hilft sowohl bei der digitalen Planung als auch beim Bau und bei der Wartung. Ähnlich wie bei BIM lassen sich mithilfe des digitalen Zwillings Risiken minimieren. Darüber hinaus ist es möglich, verschiedene Szenarien zu planen und mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen eine passende Strategie zu entwerfen. So lassen sich fundierte Entscheidungen treffen, die unterschiedlichste Fragen abdecken.
Wie kann der Digital Twin bei der Planung unterstützen?
Je nachdem, um was für ein Bauprojekt es sich handelt, bietet der Digital Twin einen bestimmten Mehrwert. Am Anfang eines Projektes steht dabei nach wie vor die Planung und Erstellung eines BIM-Modells, denn der Zwilling kann erst entstehen, wenn ein Original vorhanden ist, an dem er sich orientiert. Das BIM-Modell hat zunächst keinen Bezug zur realen Umgebung. Aber die Realitätsmodellierung mit photogrammetrischen Daten und Punktwolken hilft dabei, ein 3D-Umgebungsmodell zu erstellen und so mit der Planung zu beginnen.
Bei einem Großteil der Bauprojekte in Deutschland handelt es sich jedoch nicht um Neubauten, sondern um Bestandsprojekte. Diese werden neu geplant, umgenutzt oder erweitert. Hier kann der Digitale Zwilling schon im Vorfeld erstellt werden, da Daten aus dem Bestand vorhanden sind. Oft gibt es eine große Anzahl an Informationen zum aktuellen Gebäudezustand. Anhand dieser Daten ist es möglich, früh Planungsentscheidungen zu treffen. Der Digital Twin stellt die Informationen strukturiert dar und hilft bei der Auswertung verschiedener Szenarien. Dank dieser aussagekräftigen Modellierungen lassen sich bessere und schnellere Entscheidungen in der Planung treffen.
Welche Standards und Vorschriften gibt es bei digitalen Zwillingen?
Noch sind digitale Zwillinge ein recht neuer Ansatz im Bereich BIM. Daher ist es umso wichtiger, Standards und Vorschriften zu schaffen, die die optimale Nutzung dieser Zwillinge erlauben. Ähnlich wie beim Building Information Modeling sind DIN- und ISO-Standards nötig. Da es sich beim digitalen Zwilling um eine Erweiterung der BIM-Methodik handelt, ist die ISO 19650, die BIM-Standards für den Hochbau vorgibt, ein guter erster Schritt. Darin wird festgelegt, welche Daten erstellt und dem Auftraggeber übergeben werden müssen. So entsteht ein Rohmodell, das an den Bauherren übergeben und von ihm weitergeführt wird, damit der digitale Zwilling über den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes funktioniert.
Bei jedem digitalen Zwilling steht die Frage an, welche Daten erforderlich sind, und welches Ergebnis erreicht werden soll. Jedes Projekt hat seinen eigenen Zweck, der wiederum die detaillierten Entscheidungen bedingt. Aus diesem Grund sind digitale Zwillinge je nach Anforderung einzigartig. Ein Standard hilft aber dabei, festzulegen, in welcher Form die Daten zur Verfügung gestellt werden, wer die Datenhoheit hat und wer welche Daten bereitstellt. Technische Systeme wie etwa ein Common Data Environment (CDE) stellen sicher, dass die Daten nur von autorisierten Personen bearbeitet werden können. Dieses Leistungsschutzrecht aus dem Building Information Modeling gilt auch für digitale Zwillinge.
Wie wirken BIM und der digitale Zwilling zusammen?
BIM bietet ein größtenteils statisches Modell, der digitale Zwilling hingegen ein dynamisches Modell. Während das Building Information Modeling bei der Erstellung eines Gebäudemodells hilft, das für den Bau und die Koordination dient, ist der digitale Zwilling über den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes hilfreich. Dafür braucht er permanent Informationen rund um das Planungsmodell und den aktuellen Gebäudezustand. Die Komponente Zeit, die bei BIM nicht vorhanden ist, zeichnet den digitalen Zwilling aus und bietet eine Symbiose zwischen den beiden Technologien.
Damit BIM und der Digital Twin so gut wie möglich zusammenarbeiten können, sind hochwertige Informationen nötig. Diese ermöglichen es, das BIM-Projekt zu einem digitalen Zwilling zu erweitern, der das Objekt über den gesamten Lebenszyklus begleitet. So entsteht ein dynamisches Abbild, das sich in Echtzeit weiterentwickelt. Künftig werden Digital Twins lernen, sich selbst zu aktualisieren und mit ihren physischen Abbildern zu kommunizieren, etwa über Sensoren und das Internet of Things. So könnten digitale Zwillinge in der Zukunft etwa Solarfassaden an den Sonnenverlauf anpassen, Raumluftströmungen bei erkannten Krankheitserregern anpassen oder Reparaturen frühzeitig erkennen.
Was ist Twin It?
Ein Projekt der EU namens Twin It zeigt, wie wichtig die Technologie des digitalen Zwillings ist. Mit „Twin It“, übersetzt etwa „Zwilling es!“, wollen die 27 EU-Mitgliedsstaaten über einen dreijährigen Zeitraum ein digitalisiertes Kulturerbe im Datenraum erstellen. Dafür wählt jedes Land besonders wertvolle Gebäude und Monumente aus. Häufig handelt es sich dabei um ein gefährdetes Kulturerbe. Häufig besuchte Denkmäler und Stätten sowie Objekte mit geringem Digitalisierungsgrad sollen erfasst werden. Die EU erwartet eine hohe technische Qualität, um digitale Exzellenz zu präsentieren.
Die europaweite 3D-Kollektion an wertvollen Gebäuden soll im Rahmen einer hochrangigen Abschlussveranstaltung in Brüssel vorgestellt werden. Parallel findet eine Tagung des EU-Rates statt, sodass auch die Kultusministerinnen und -minister vor Ort sein werden und ihr Engagement zu diesem Thema erneuern sollen. Die Daten aus dem 3D-Laserscanning sollen dann in einer speziellen Online-Sammlung gehostet werden.
Das Twin IT-Projekt hat am 21. Juni 2023 während der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft begonnen und wird nun unter spanischem Vorsitz fortgesetzt.
3D-Laserscanning, Punktwolken & Reality Capture von buck Vermessung
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