Gesetzesentwurf für das Hessische ÖbVI Gesetz
Der Gesetzesentwurf für das neue Hessische ÖbVI Gesetz – Masse statt Klasse?
Im Oktober letzten Jahres hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen einen Änderungsentwurf für das Hessische ÖbVI-Gesetz vorgelegt, das nicht nur an den Grundfesten des Berufsstandes rüttelt, sondern zugleich keinerlei nachhaltige Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet – im Gegenteil. Dabei gäbe es eine Reihe sinnvoller Wege, die Zukunft einer flächendeckenden hoheitlichen Vermessung in Hessen durch die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure zu sichern.
Fakten
Fakt ist, dass die Ausbildungszahlen in den beiden Berufen Geomatiker/in bzw. Vermessungstechniker/in nicht nur in Hessen, sondern deutschlandweit dank vielfältiger Anstrengungen auf allen Ebenen wieder steigen. In jüngster Vergangenheit konnten zudem allein in Hessen fünf neue ÖbVIs zugelassen werden und alle ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen in Absprache mit der Dienstaufsicht ihre Nachfolge sichern. Damit ist auch in der Fläche die Abdeckung mit Vermessungsleistungen derzeit gesichert. Die Situation ist also weit weniger dramatisch als die vorgeltenden Änderungsvorschläge am Hessischen ÖbVI-Gesetz befürchten lassen. Im Gegenteil: Der Beruf kann verhalten optimistisch in die Zukunft schauen.
Der Fachkräftemangel ist jedoch auch bei uns zu spüren – das betrifft allerdings den freien Beruf und die Verwaltung gleichermaßen. Auf diese Entwicklungen muss sowohl im Ausbildungs- als auch im akademischen Bereich gemeinsam reagiert werden. Darüber dürften sich alle Beteiligten einig sein. Über das »Wie« sollte aber ernsthaft und vor allem ergebnisorientiert diskutiert und wenn nötig auch gestritten werden.
Kernpunkt des Entwurfs für das neue Hessische ÖbVI-Gesetz ist, dass das Qualifikationsniveau für die Bestellung zum ÖbVI deutlich abgesenkt werden soll. Doch kann es gelingen, zusätzlich junge Menschen für den Weg in die Selbstständigkeit zu begeistern, indem man das Niveau senkt? Wir meinen Nein. Die Aufgaben eines ÖbVIs sind vielfältig und anspruchsvoll – die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die vielen Unternehmen in Hessen vertrauen zu Recht auf den hohen Ausbildungs- und Qualifikationsstandard sowie die Berufserfahrung der Berufsträgerinnen und ~träger. Man stelle sich nur einmal vor, dass angesichts der fehlenden Hausärzte in der Fläche, jemand auf die Idee käme, das Niveau der Qualifikation von Ärzten abzusenken. Die Gründe für den fehlenden Nachwuchs haben doch ganz andere Ursachen als die Zulassungsvoraussetzungen. Doch wie kann der richtige Weg in die Zukunft aussehen?
In die Nachwuchsgewinnung investieren
Den einen Königsweg gibt es wie immer nicht, sondern es müssen viele einzelne Maßnahmen sinnvoll ineinandergreifen, um auch langfristig nicht nur mit ausreichend ÖbVIs in der Fläche vertreten zu sein, sondern insgesamt genügend Nachwuchs für unseren Beruf zu gewinnen. Deshalb geht das Thema auch nicht nur die ÖbVIs, sondern das gesamte amtliche Vermessungswesen in Hessen an – also wie bereits betont die Verwaltung sowie den freien Beruf gleichermaßen. Die Landesvermessungs-, Kataster- und Flurbereinigungsbehörden sind genauso wie jede Büroinhaberin und jeder Büroinhaber darauf angewiesen, dass ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die Aufgaben und Aufträge sachgerecht und vor allem in einem für den Bürger oder für Unternehmen vertretbarem Zeithorizont abzuarbeiten.
Ausbildung zuerst
Geodaten und deren Auswertung gelten als eine der Grundlagen der Digitalisierung überhaupt. Hessen, das sich selber als Technologieland bezeichnet, liegt im Bereich der Ausbildung zur/zum Geomatiker/in bzw. Vermessungstechniker/in allerdings bundesweit betrachtet nur auf Platz 13 von 16! Das kann nicht unser Anspruch sein. Doch wie gewinnen wir nun junge Menschen für diese spannenden, abwechslungsreichen und vor allem zukunftsorientierten Berufe? Wir müssen für uns werben und informieren! Und das auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln. Vor einiger Zeit haben die führenden Berufsverbände beispielsweise gemeinsam die Nachwuchskampagne #weltvermesserer gestartet. Sie spricht die jungen Menschen dort an, wo sie sich aufhalten – in den sozialen Medien. Mitmachen kann jeder – sei es durch eigene Beiträge auf dem Instagram-Kanal oder durch die Weiterverbreitung. Wer sich dazu selber bereits zu alt fühlt, findet in seinem Unternehmen oder Amt mit Sicherheit junge Leute, die gerne mitmachen.
Doch auch jeder Einzelne kann etwas für die Nachwuchsgewinnung tun: Aktiv auf Schulen zugehen und Schülerpraktikumsplätze anbieten, auf Azubi-Messen vertreten sein und … und… und. Die Möglichkeiten vor Ort aktiv zu werden sind vielfältig. Man muss es aber auch tun! Gleichzeitig plädieren wir als buck Vermessung für eine Ausbildungsverpflichtung – sowohl bei den ÖbVIs als auch auf Seiten der Verwaltung. Denn wir müssen in der Lage sein, den Ausbildungswilligen dann auch einen Ausbildungsplatz anzubieten.
Von Erfolgen lernen
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bezogen auf die Einwohnerzahl doppelt so viele Vermessungstechniker/innen und Geomatiker/innen wie in Hessen. Dabei ruhen sich die Kolleginnen und Kollegen im Norden auf diesen Zahlen nicht aus – im Gegenteil: Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind die Auftragsbücher derzeit noch voll, der Arbeitsmarkt ist leergefegt und der Personalbedarf wird in den kommenden Jahren wie überall aufgrund ausscheidender Kolleginnen und Kollegen steigen. Bereits 2018 hat man dort deshalb Maßnahmen ergriffen, um für das wenig bekannte Berufsfeld der Geodäsie zu werben und zu begeistern. Alle Akteure des amtlichen Geoinformations- und Vermessungswesens – also alle beteiligten Ministerien, die Bildungseinrichtungen sowie die einschlägigen Interessens- und Berufsverbände – haben sich hier zusammengetan, um ihre Kräfte zu bündeln. Kernstück der dortigen Imagekampagne ist neben vielfältiger Werbung eine Website, die breit über unser Berufsfeld informiert.
Ausschnitt der Imagekampagne (Webseite) Mecklenburg-Vorpommern
Der Erfolg stellt sich bereits ein: Die Ausbildungszahlen haben innerhalb von 3 Jahren um 33% zugenommen. Auch in anderen Bundesländern – beispielsweise NRW – laufen vergleichbare Kampagnen an. Es wäre wünschenswert, wenn wir in Hessen mindestens Vergleichbares auf die Beine stellen könnten.
Ausschnitt der Imagekampagne (Webseite) NRW
Akademischen Nachwuchs fördern
Das Fachkräfteproblem beschränkt sich wie eingangs bereits erwähnt natürlich nicht nur auf die Ausbildungsberufe, sondern auch auf die akademische Laufbahn für den gehobenen und höheren technischen Dienst bzw. die ÖbVI. Berufsbegleitende Studiengänge können ein Weg sein, um akademischen Nachwuchs auszubilden. Seit 2018 haben die Studierendenzahlen in solchen dualen Studiengängen je nach Hochschule in anderen Bundesländern um 49 bis 75% zugenommen. In Hessen fehlt leider bislang ein vergleichbares Angebot. Doch auch konkrete finanzielle Anreize, wie die Auslobung von Stipendien, können ein Weg sein um Anreize zu schaffen, die akademische Ausbildung anzustreben.
Zusammenfassung
Der gesamte Berufsstand leidet bereits heute unter dem Fachkräftemangel– und die Situation wird sich weiter verschärfen! Auf den Fachkräftemangel mit einem Absenken des Niveaus der Qualifikation zu reagieren ist kurzsichtig, nicht erfolgsversprechend und letztlich würde darunter die Qualität der Arbeit leiden. Vielmehr ist eine gemeinsame Initiative aller Beteiligten nötig, um unser Berufsfeld bekannt zu machen und dafür zu begeistern. Nur so werden wir es schaffen, wieder verstärkt Nachwuchs auf allen Ebenen zu bekommen – für die Verwaltung und den freien Beruf. Nötig sind dafür ein gemeinsamer Wille, ein langer Atem und das Engagement möglichst vieler Beteiligter. Die ÖbVIs in Hessen sind gerne dazu bereit, sich gemeinsam mit der Verwaltung dieser Aufgabe zu stellen!
buck Blog
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