Auf Qualität muss Verlass sein – ein Appell an die Politik

Jul 5, 2023 | Immobilien, News, Vermessung & Geodäsie

Autor: Dipl.-Ing. Oliver Buck MA MRICS

Die Novellierung des ÖbVI-Gesetzes in Hessen schlägt mittlerweile über die engen Fachkreise hinaus Wellen, wie die enorme Aufmerksamkeit, die der Beitrag »Novellierung ÖbVI-Gesetz – wider besseres Wissen« in den letzten Tagen erhielt, zeigt. Noch ist ein Zurück seitens der Verantwortlichen im Ministerium möglich.

»Das Absenken von Berufsqualifikationen ist generell keine gute Idee.« – »Es zeigt wieder mal die Diskrepanz zwischen Politik und Wissenschaft« – »Deutschland ist Idiocracy-Land!«. Das sind nur einige der vielen Kommentare, die mein Beitrag »Novellierung ÖbVI-Gesetz – wider besseres Wissen«, den ich am 1. Juli veröffentlicht hatte, in den sozialen Medien erzeugte. Und das vor dem Hintergrund, dass es hier nicht um ein neues Heizungsgesetz, sondern um die geplante Neufassung des Hessischen ÖbVI-Gesetzes ging – also »nur« um die Änderung eines Gesetzes, das nach erstem Augenschein, nur eine sehr kleine Berufsgruppe betreffen dürfte. Doch dem ist eben nicht so, wie die über 550 Likes innerhalb kürzester Zeit allein bei Facebook zeigen! Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen haben nämlich sehr wohl verstanden, dass das geplante Absenken der Zulassungsvoraussetzungen zur Bestellung zum ÖbVI mit möglicherweise weitreichenden Folgen verbunden ist. Noch ist auf die Leistungen der ÖbVIs Verlass, doch zu Recht fragen sich viele, ob dem in Zukunft auch so sein wird, wenn die derzeitigen Vorstellungen des Hessischen Wirtschaftsministerium Realität werden.

Klar ist, dass auch die Geodäsie vor großen Umwälzungen steht und sich dem demographischen Wandel und dem damit einhergehenden Arbeitskräfte- und Nachwuchsmangel nicht entziehen kann. Dies ist aber kein singuläres Problem einer kleinen Branche, sondern vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nicht mit einzelnen und nicht zu Ende gedachten Gesetzesänderungen wird bewältigen können – weder im kleinen noch im großen Maßstab! Worauf sich die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die vielen Unternehmenskunden verlassen können müssen, ist die Qualität der Arbeit der ÖbVI. Qualität erfordert natürlich auch einen entsprechenden Nachweis, der in vielen Bereichen – da unterscheidet sich das Vermessungswesen nicht von anderen – durch entsprechende Prüfungen und Berufserfahrung nachgewiesen werden muss. Und das doch auch völlig zu Recht: Jeder möchte einen Handwerker bestellen, der Ahnung von seinem Fachgebiet hat, eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, die fachlich versiert sind und im Fall der Fälle eine Anwältin oder einen Anwalt an der Seite wissen, die das nötige juristische Fachwissen besitzen. In ganz besonderem Maße gilt das für Berufsgruppen, die in staatlichem Auftrag handeln. In Deutschland sind wir bislang gut damit gefahren, die Qualitätsmaßstäbe, die bei der Zulassung zu bestimmten Berufen nötig sind, nicht zu niedrig zu hängen. Dies schafft Vertrauen in die Arbeit derjenigen, die sie erbringen. Wenn aber damit begonnen wird, die Qualitätsmaßstäbe immer weiter abzusenken, wird irgendwann auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Leistungen der Berufe nachlassen. Wir alle leben von der Qualität der in Deutschland geleisteten Arbeit und eben nicht von einer oft fehlerbehafteten Durchschnittsware.

Zudem ist es noch nicht einmal ausgemacht, dass eine Absenkung der Zulassungsvoraussetzungen wirklich ein Plus an Bewerberinnen und Bewerbern bedeutet. Aktuell gibt es jedenfalls noch keine Lücken im flächendeckenden Angebot der ÖbVIs in Hessen. Hinzukommt, dass die sich abkühlende Baukonjunktur auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen für ein rückläufiges Geschäft sorgen wird, was zwangsläufig auch zu einer leichten Entspannung im Bereich des Fachkräftemangels führen wird. Und: Hat die Politik eigentlich bedacht, dass Fehler von staatlich Beliehenen letztendlich immer auch auf den Staat zurückfallen? Denn die ÖbVI machen nichts anderes als im Auftrag des Staates zu handeln und ihre Ergebnisse rechtsverbindlich zu beurkunden. Der Staat sollte also doch aus bereits aus reinem Eigennutz ein hohes Interesse daran haben, dass die Arbeit, die in seinem Namen erbracht wird, den höchsten Qualitätsansprüchen entspricht.

Mein Appell deshalb an die politischen Entscheidungsträger in Hessen: Gehen Sie bitte auf die vielen kritischen Stimmen aus nahezu allen Bereichen des Vermessungswesen ein, überdenken Sie die Pläne für die Novellierung des ÖbVI-Gesetzes und treten noch einmal in einen konstruktiven Dialog mit den Expertinnen und Experten ein!

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